Ode an den gefrorenen Goldfisch

Das Goldfischglas im Eisschrank beschlägt. Der Fisch
zieht langsam seine Runden. Dein Auge kommt
zur Ruh mit dem Gedanken, daß er
endlich verendet und still und starr steht.

Ein sanfter Schmerz durchschwimmt das gekühlte Hirn.
Mit schwachem Leuchten blättert der Raum im Buch
der Bilder, die sich folgen. Leblos.
Blick und Gefrierbeutel wünschen Aufschub.

Du schließt die Tür des Eisschranks. Du zählst und zählst.
Der Geist des Möbelpackers erscheint. Er hievt
den Schrank von hier nach dort. Es knarrt, dann
kracht er zu Boden. Der Inhalt scheppert.

Du zählst und zählst, und neben dem Eisschrank sprießt
ein Ort mit neuer Ordnung, worin der Fisch
nicht länger stört, der starr im Schrank, ver-
gessen im Eisblock der Speisen stillsteht.

Sein Auge kam zur Ruhe. Du siehst ihn, tot,
gefroren, hart und unter den Splittern, die
den Leib mit Glas und Eis bedecken.
Tage und Nächte: du sitzt und grübelst.

Du hörst ein Klopfen, hältst dir die Ohren zu;
der Blick taucht tief nach innen, erstarrt im Frost,
und erst der Griff zum Griff des Eisschranks
öffnet die Augen, die Box mit Botschaft:

Das Glas ist heil. Der Goldfisch steht still und klar.
Sein Auge kam zur Ruh. Du siehst ihn: rot-
oranges Leuchten. Das vom Eis ins
Jenseits Gesicherte zählt und wartet.

Bescheiden cool zitiert es den Schluß des Briefs,
der nun im Schrank steht, neben dem Goldfischglas,
gelehnt an Beutel harten Obstes:
"Dieses, damit du Bescheid weißt, Süßer:

Verzeih mir, du warst herrlich, so streng und kalt.
Ich habe dich gefressen. Du warst so gut,
ich konnte nicht mehr warten. Auch wenn
du dich noch aufheben wolltest. Bye Bye.