Ein Zugvogel - nach Catull

Liebster, heute im ICE nach Frankfurt,
irrend, flatternd im feinen Großraumwagen
früh am Morgen, ein junger Spatz. Er piepste
kläglich, starrte mit großen Augen lange
aus dem Fenster vom ersten Tischplatz hinterm/
vor dem Eingang/dem Ausgang rechts – strich – links des
ersten Wagens der ersten Klasse, die den
Banker mainwärts, den blassen Gerling heimwärts,
südwärds shuttelt. Der Spatz saß zitternd, staunend.
Draußen: rasende Landschaft, Flugsimultik.
Drinnen: zitternde FAZs, Getränke.
Kluge Köpfe dahinter, ruckend, Augen
rollend, Schädel: beweglich, Blicke über
grobpapierne, für Scheißhauszwecke bestge-
eignet börsennotierte Blätter streichend,
lauernd schneidend den hohen Rand der Werte.
Jemand scherzte: „Der Spatz vom Wallraffplatz“, dann
Götterlachen, der Spatz, in Panik flatternd,
einmal, zweimal ans Fenster knallend, rückwärts
einmal, zweimal an hohe Biere prallend,
schoß vom Tischplatz in weitem Bogen auf und
schiß auf eines der ach so hohen Tiere.
Dieses rührte sich grunzend, andre schnaufend.
Allen schmerzte des feinen Tuches Naß, das
Pech des feinen Betuchten. Alle nahmen
Paper, rollten die FAZs und machten
prügelschlagende Jagd aufs schwach und schwächer
flügelschlagende Tier. Man rief den Schaffner,
schimpfte, fluchte auf Bahn und Service, ließ den
Mann das klägliche Reststück Spatz entsorgen.
Liebster, heute im ICE im Bahnhof
Frankfurt Flughafen flog ein toter Spatz aufs
kalte Gleisbett. Ein feiner Zug geht anders.